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Frohe Ostern?

Man kann ein ( Familien- ) Leben, das dabei ist an Alkoholismus zu zerbrechen, erstaunlich lange notdürftig kitten, aufrechterhalten, und nach Außen den Schein wahren. Doch findet keine Umkehr statt, sondern bleibt der Alkohol weiterhin am Steuer, ist es nur eine Frage der Zeit, bis alles in sich zusammenstürzt.


Das Wetter ist herrlich, es ist wieder lange hell, die Vögel singen um die Wette, und ein hellgrüner Schleier frischer Triebe legt sich langsam sichtbar, über die noch kahlen Sträucher im Garten. Tulpen, Narzissen und Hyazinthen haben Hochsaison, und im Gegensatz zu manchem Jahr, in dem es zu dieser Zeit schneite, wir nach dem Eiersuchen im Wohnzimmer, mit heißer Schokolade vor dem Kamin saßen, schenkt uns die Natur dieses Jahr die perfekte Osterstimmung… wäre da nicht Corona und die Ausgangssperre.


Frau Merkel sagte so schön: „Eine Pandemie kennt keine Feiertage.“ Mir persönlich wird während dieser Zeit der Isolation sehr oft bewußt, wie sich das Leben von den Kindern und mir zum Positiven verändert hat, weil, wie es uns geht, nicht mehr zu einhundertprozent davon abhängt, wie es einem anderen mit seiner Sucht geht.

Ostern war aus familiären Gründen emotional immer sehr dünnes Eis für meinen alkoholkranken

( Ex- ) Partner. Dieses Fest wurde in seinem Umfeld gerne für Machtkämpfe instrumentalisiert. Mir fällt diese Tage extrem auf, daß die daraus, und aus seiner Krankheit resultierende Anspannung, Nervosität, Verunsicherung und Angst, womit ich schon Wochen vor dem Ostersonntag zu kämpfen hatte, weg sind. Komplett. Wie Gefühls - Fetzen eines Alptraums, die sich einfach in Luft auflösen.


Ostern fängt wieder an mir zu gefallen, weil all die Dramen der vergangenen Jahre, bedingt durch Alkohol, und Menschen, die jedes Gefühl des Mitleids aus opportunistischen Gründen verraten, der Vergangenheit angehören.


Damals begann ich, eine regelrechte Abneigung gegen Ostern zu entwickeln, da diese Feiertage für mich nichts als Anspannung, Drama, Streit, Rückfall, und anschließende Schadensbegrenzung bedeuteten. Heute weiß ich, daß Ostern nichts dafür konnte, sondern, daß mir zu dieser Zeit nur um die Ohren flog, was ohnehin nicht gepaßt hat, was letztendlich die Realität unserer Alltags war, die man zwischendurch mit sehr viel Mühe, und noch mehr Lack, zu einer scheinbar glatten Fassade überpinseln konnte.


Doch Feiertage bringen all die faulen Kompromisse und sphärischen Störungen, die man sonst vielleicht ganz erfolgreich verdrängen, und unter den Teppich kehren kann, zu Tage.

Dieses, genau wie letztes Jahr hatte ich, wie Ihr sicherlich auch, großartige Pläne für die kommenden Tage. Unsere Freunde aus München, die quasi zur Familie gehören, wollten zu uns kommen, genau wie die Omas und Opas. Ich freute mich schon auf die Besuche von Nachbarn und Freunden, die normalerweise gerne spontan vorbeischauen. Wir hatten, zusammen mit anderen Freunden für Montag einen großen Tisch in einem Restaurant reserviert, daß auf einer wunderschönen Erhebung am Westufer, neben einer kleiner Kapelle liegt, von wo aus man einen atemberaubenden Blick auf das Alpenpanorama hat. Rundherum nichts als Wiesen, Bäume und Kühe.


In allen umliegenden Gärten wohnen Freunde meiner Kinder, und unter normalen Umständen, rennen alle den ganzen Tag hin und her, spielen, lachen, und toben, bis irgendwann ein Ball in den Bach fliegt, und entschieden wird, wer ihn wieder rausholen muß. Letztes Jahr war es so ungewöhnlich heiß, daß wir beim Eisessen beschlossen haben, die Badesaison zu eröffnen. Wir packten, unter großem Protest meiner Freundin, das Nötigste zusammen, fuhren runter zum See, und sprangen, einer nach dem anderen in das wirklich eiskalte Wasser. Dem Gruppenzwang sei Dank, sprang auch sie, hat aber die ganze Zeit so geschrieben und geschimpft, "dass wir alle doch nicht ganz dicht wären", dass wir Tränen gelacht haben. Und obwohl all das dieses Jahr, trotz traumhaftem, perfektestem Osterwetter nicht möglich ist, wir alles abgesagt, und beschlossen haben, Ostern ganz einfach gemeinsam nachzufeiern, kann ich mich trotzdem freuen, daß ich nicht mehr da bin, wo ich herkomme.


Alleine, oder nicht in Gesellschaft zu sein, macht mir keine Angst mehr. Ich ziehe das toxischen Beziehungen zu jeder Zeit vor, und freue mich aktuell, daß ich nur noch Menschen in meinem Leben habe, die mir gut tun, und die ich gerade von ganzem Herzen vermisse.


Es folgt ein kleiner Rückblick zu einem Osterfest aus der Zeit, als das Leben, Wohlbefinden, und Handeln meiner Kinder und mir, komplett von der Alkoholsucht eines anderen abhing.


Eine Veranstaltung, die zunächst fröhlich begann, war ein Osterbrunch in dem Hotel, in dem T. arbeitete. Er konnte sich zwar nicht frei nehmen, aber ich hatte mit Familie und Freunden einen großen Tisch reserviert, und sicher konnte er zwischendurch bei uns vorbeischauen, und sich vielleicht auch hin und wieder kurz zu uns setzen. Am Ende des Tages würden wir gemeinsam nach Hause fahren und den Abend geniessen, während die Kinder all ihre Süssigkeiten vernichteten.

Soweit meine Wunschvorstellung.

Nachdem T. schon sehr früh los mußte, um mit seiner Arbeit zu beginnen, kam ich mit den Jungs nach. Es war wie immer eine besonders schöne, familiäre Atmosphäre und die Kulisse an diesem, für mich fast magischem Ort, mit dem Park und einem atemberaubendem Blick in die Berge hätte nicht schöner sein können. Ich war nach wie vor optimistisch, daß alles gut gehen würde und freute mich über die Aussicht auf einen schönen Feiertag. Aber wie ich ja bereits erwähnte, ist die Krankheit Alkoholismus unberechenbar. Und so hoffnungsvoll dieser Tag begonnen hatte, endete er am frühen Nachmittag damit, daß T. kaum noch ansprechbar, von Kollegen in einen Nebenraum geschafft werden mußte. Meine Kinder waren zu diesem Zeitpunkt zum Glück schon bei meiner Schwägerin zum Nachmittagskaffee. Ich ließ, wie immer in solchen Situationen alles stehen und liegen, ohne mich großartig bei den auf mich gerichteten, irritiert und mitleidig blickenden Augenpaaren an meinem Tisch, zu verabschieden, oder zu erklären. Ich holte das Auto, und ein paar Mitarbeiter und ich hievten T. gemeinsam hinein. Ich habe keinen blassen Schimmer wie es mir zu Hause gelungen ist, ihn vom Beifahrersitz in den ersten Stock, und weiter ins Bett zu befördern, aber ich weiß noch wie ich mich fühlte, als er endlich eingeschlafen war. Ich war traurig, sprachlos, und fühlte eine unendliche Leere. Die Stille im Haus erschien mir unerträglich laut. Ich dachte bei mir, so schnell kann es gehen. Gerade noch saß ich in einer fröhlichen Runde, plauderte, lachte, genoß in vertrauter Gesellschaft ein köstliches Essen und die wunderschöne Aussicht. Draussen sah man eine Schar ausgelassener Kinder in Dirndl und Lederhosen, die übermütig umherliefen um bunte Ostereier und Schokoladenhasen zu suchen.


Ich war Teil einer, von aussen betrachtet, heilen Welt in Perfektion. Doch nur drei Stunden später, saß ich am Ostersonntag bei schönstem Wetter, in meinem mittlerweile zerknitterten Seidenkleid auf dem Fußboden in der Küche.


Ich überlegte mir, wie und wohin ich meine Kinder über Nacht ausquartieren könnte, ohne daß sie Verdacht schöpften, und sich am Ende noch Sorgen machten.


Gleichzeitig hatte ich eine höllische Angst was heute noch passieren konnte, wenn T. wieder zu sich kam und habe gebetet, daß er bitte einfach durchschläft bis er wieder zurechnungsfähig ist.


Man hatte mich gebeten dafür zu sorgen, daß er heute nicht mehr im Hotel auftaucht. Das ist aber leichter gesagt als getan, wenn ein volltrunkener Alkoholiker zu Bewusstsein kommt, aber dennoch weit davon entfernt ist, nüchtern zu sein.


Es dauerte leider nicht allzu lange, und T. kam völlig derangiert die Treppe herunter gepoltert.


Natürlich konnte ich ihn nicht davon abhalten, sich auf den Weg zurück ins Hotel zu machen. Obwohl er noch immer jenseits von Gut und Böse war, beharrte er darauf, dort dringend gebraucht zu werden. Ich wußte, daß es mir nicht gelingen würde ihn aufzuhalten. Das einzige was ich tun konnte war abzuwarten. Ich saß zu Hause, lethargisch, verheult, wie gelähmt, und war nicht in der Lage, irgend etwas anderes zu tun, als auf ein glimpfliches Ende dieses schrecklichen Tages zu hoffen.



Byebye Co - Abhängigkeit!

Alles Liebe,

Julia







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