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Julia Maria Kessler

Der Weg aus der Co - Abhängigkeit

Alkoholismus trifft nicht nur den Abhängigen selber. Co - abhängige Partner und Kinder leiden mitunter sogar stärker als der Alkoholkranke, stellen dessen Bedürfnisse über die eigenen, übernehmen seine Aufgaben und versuchen das Trinken zu vertuschen oder zu verhindern.

Co - abhängig wird man nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozeß, der schleichend ist, und lange dauern kann. Ist man sich schließlich darüber bewußt, daß man im Strudel der Alkoholsucht eines anderen gefangen ist, und Strategien entwickelt hat, die einem selber schaden, steckt man bereits mittendrin, und hat die herausfordernde Aufgabe, sich wieder aus diesem Suchtsystem zu befreien.



1. Die ersten Anzeichen erkennen


Den Alkoholiker findet man nur unter der Brücke, und jemand, der jeden Tag seinen Job macht, der „nur“ am Wochenende, „nur“ abends, oder „nur“ Wein und Bier, und keinen Schnaps trinkt, hat ja ohnehin kein Alkoholproblem. Von wegen! Das Trinkverhalten bei einer Alkoholkonsumstörung ist so individuell, wie der Mensch selber.


Es gibt Spiegeltrinker, die einen gewissen Pegel aufrechterhalten müssen, um „funktionieren“ zu können, und um keine Entzugserscheinungen, wie Zittern oder Schwitzen, zu entwickeln. Es gibt Menschen, die erst während des Trinkens die Kontrolle verlieren, oder die sogenannten „Quartalssäufer“, die in größeren Abständen, mit zwischenzeitlich unauffälligen, oder sogar trockenen Phasen, regelrechte Saufexzesse erleben, die sich über mehrerer Tage erstrecken können, und häufig zu sogenannten Filmrissen führen. Es gibt Menschen, die in Gesellschaft unauffällig oder sogar nüchtern bleiben, um sich dann unbemerkt, alleine zu betrinken. Viele Alkoholiker können ihre Krankheit sehr gut vertuschen, indem sie heimlich, auswärts, oder nachts trinken, die leeren Flaschen verstecken, und schaffen es lange, mit Mundwasser, Lügen und falschen Alibis ihr Trinken zu vertuschen.


Der Übergang vom kontrollierten, zum riskanten Trinken, bis hin zum Missbrauch ist ein schleichender Prozeß, der sich über mehrere Jahre hinziehen kann. Er wird von vielen Anzeichen begleitet, die man rückblickend leicht zu einem klaren Bild zusammenfassen kann. Hat ein Mensch offensichtlich getrunken, leugnet dies aber vehement, und wird dabei angriffslustig, ist das ein typisches Indiz, da das „Leugnen“, eines der essenziellen Merkmale von Alkoholismus ist. Findet man zu Hause leere Flaschen an ungewöhnlichen Orten, die offensichtlich versteckt wurden, fängt ein Mensch an sich zu isolieren, verändert sich seine Persönlichkeit zum Negativen, wenn er getrunken hat, verstrickt er sich mehr und mehr in Lügen, wirkt zunehmend gereizt und angespannt, oder ist telefonisch häufig nicht mehr erreichbar, können all das Ursachen seiner Alkoholkrankheit sein. Je näher man einem Menschen steht, umso leichter sollte es einem fallen, eine krankhafte Entwicklung wahrzunehmen. Auf einen Satz herunter gebrochen kann man sagen:


„Wenn Alkohol Probleme schafft, ist Alkohol das Problem.“



2. Die Isolation durchbrechen

Hat man die ersten Anzeichen einer Alkoholkonsumstörung bei einem nahestehenden Menschen nicht richtig gedeutet, oder auch absichtlich unterschätzt, weil man sich mit dieser tabuisierten Krankheit überfordert gefühlt hat, befindet man sich sehr wahrscheinlich früher oder später mitten in der Co - Abhängigkeit. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß das eigene Leben, Handeln, und Wohlbefinden komplett von der Sucht eines anderen gesteuert wird. Wie es dem Co - Abhängigen geht, hängt zu Einhundertprozent davon ab, wie es dem Alkoholkranken geht. Er entwickelt mit der Zeit die gleichen Symptome, wie der Alkoholiker selber: Scham, Isolation, und Angst, bis hin zur Depression.


Je schlimmer die alkoholbedingten Abstürze werden, umso mehr sich Unfälle, Stürze, und Blackouts häufen, je häßlicher die Szenen werden, die sich abspielen, je verwerflicher sich die Folgen des unkontrollierten Trinkens, in Form von betrunkenen Autofahrten, oder häuslicher Gewalt zeigen, umso mehr versucht der Co - Abhängige in der Regel, diese zu vertuschen. Niemand soll mitbekommen, daß der Alkohol die Kontrolle übernommen hat, und was sich dadurch bedingt alles abspielt, wodurch der zerstörerische Strudel, aus den soeben genannten Symptomen zusehends mächtiger wird. Nun gilt es, sich trotz der Scham und der Angst, aus genau dieser Isolation zu lösen, und sich darüber bewußt zu werden, daß all das, womit man alltäglich zu kämpfen hat, die Auswirkungen einer Krankheit sind, wofür man sich nicht schämen muß.




3. Die Realität annehmen

Alkoholismus kann man nicht aussitzen. Es ist kein Schnupfen, der wieder von alleine verschwindet. Es handelt sich vielmehr um eine chronische Krankheit, der man sich als Familie stellen muß, da jeder einzelne von den Auswirkungen betroffen ist, und in extremer Form darunter leidet. Weil man nicht ändern kann, was man nicht annimmt, liegt hier der erste große Schritt auf dem Weg zur Heilung. Gestehe Dir ein, daß ein Mensch, der Dir nahesteht Alkoholiker, und Du co - abhängig bist, wodurch Du dir Deine aktuelle Realität, die vom unkontrollierten Alkoholkonsum eines anderen gesteuert wird, gewissermaßen, mit - erschaffen hast.


Spreche es offen aus, und den betroffenen Alkoholkranken direkt darauf an. Hier empfiehlt sich ein, von einem Therapeuten oder Arzt begleitetes Interventionsgespräch, bei dem der Kranke, von einem sorgfältig ausgewählten Kreis sehr nahestehender Menschen, mit ihrer Perspektive der Auswirkungen seines Trinkens, und ihrer Sorge um ihn, konfrontiert wird. Das Ziel eines solchen, nicht angekündigten, überrumpelnden, gemeinsamen Gesprächs, ist keines Wegs die Bloßstellung des Alkoholikers, sondern seine Einsicht, daß er krank ist, dringend einen Entzug und professionelle Hilfe benötigt.


4. Das Suchtsystem verstehen

Als Co - Abhängiger jagt man der Illusion hinterher, man könne den nächsten ersten Schluck verhindern, oder zumindest darauf vorbereitet sein. Die Wahrheit ist, man kann weder das eine, noch das andere. Man versucht verzweifelt das Unkontrollierbare zu kontrollieren, indem man im Außen auf das Trinkverhalten eines Alkoholkranken einwirken möchte. Man ist mit Einhundertprozent seiner Aufmerksamkeit bei der Sache, checkt den Atem, den Blick die Stimmung, als sei man der Bodyguard eines Staatsoberhauptes. Man versteckt Autoschlüssel, vertuscht, funktioniert, fertigt aus dem Stegreif maßgefertigte Ausreden, verbiegt sich bis zur Unkenntlichkeit, hofft, droht und verzeiht, in dem Glauben, man könne den anderen auf diese Weise retten.


Man stellt die Bedürfnisse des Alkoholkranken über die eigenen, und nimmt tatsächlich an, man könne ihm durch das Aufräumen im Außen, durch das Perfektionieren der Umstände, und durch das klein beigeben, zur Nüchternheit verhelfen. In Wahrheit kann man dadurch nicht nur NICHT helfen, sondern verstärkt vielmehr das Suchtsystem und hält es auf diese Weise sogar am Laufen.


Erst wenn man verstanden hat, daß das Leugnen, das Manipulieren, das Lügen, die veränderte Persönlichkeit Teil der Krankheit Alkoholismus sind, man keinerlei Einfluß darauf hat, und nur der Kranke selber an den Punkt kommen kann, an dem er den aufrichtigen Wunsch verspürt, es schaffen zu wollen, ohne Alkohol zu leben, er einsieht, daß er vor dem Alkohol kapitulieren muß, weil er niemals kontrolliert trinken können wird, kann die Umkehr beginnen. Der Alkoholiker, NICHT der Co - Abhängige, hat die Aufgabe, den Geist des Alkohols durch einen anderen Geist, der ihm Vertrauen, Stärke, Selbstliebe und Hoffnung gibt, zu ersetzen. Der Co - Abhängige hat die Aufgabe, die gut gemeinte "Suchtunterstützung" fortan zu unterlassen.


„Spiritus contra spiritum!“ Carl Gustav Jung



5. ( In Liebe ) Loslassen

So, wie es der Alkoholkranke schaffen muß, den Alkohol für immer loszulassen, hat der Co - Abhängige die herausfordernde Aufgabe, die Verantwortung für das Trinkverhalten eines anderen, die nicht seine ist, und es auch niemals war, ein für alle Mal abzugeben, und den Fokus wieder auf sich zu richten.


Ich arbeite gerne mit dem Bild zweier Ertrinkender, die sich aneinander festklammern. Sie haben nur eine einzige Chance sich zu retten: sie müssen einander loslassen, und anfangen zu schwimmen, damit sie nicht alle beide mit Sicherheit, und im wahrsten Sinne des Wortes ertrinken werden. In vielen Situationen in unserem Leben, ist das Loslassen die einzige Chance die wir haben, um weiter zu kommen, was zwangsläufig bedeutet, Vertrautes hinter uns zu lassen. Doch wir wollen Veränderung, ohne etwas zu verändern, da uns das Unbekannte, und Horrorszenarien, die lediglich in unserem Kopf existieren oft mehr ängstigen, als das reale Unglück. Steckst Du in dieser Sackgasse fest, versuche Dich auf das zu fokussieren, was Du gewinnen möchtest, anstatt zu glorifizieren, was Dir eigentlich schon lange nicht mehr gut tut.


„Im Loslassen liegt der Schlüssel zum Glück.“ Buddha



6. Richte den Fokus wieder auf Dich

Richte Den Fokus wieder auf all das, was tatsächlich im Wirkungsbereich Deines Denkens und Handelns liegt. Treffe Entscheidungen, die zu Deinem, und dem Wohl Deiner Kinder und Deiner Familie sind. Werde Dir darüber bewußt, daß nur Du für Dein Leben und Dein Glück verantwortlich bist. Es ist leicht, sich kopfüber in die Opferrolle zu stürzen, wenn einem schlimme, und ungerechte Dinge widerfahren sind, aber es ist alles andere als hilfreich oder zielführend. Sobald wir uns klar machen, daß das eigene Leben letztendlich aus der Summe unserer Entscheidungen besteht, fällt es plötzlich viel leichter, diese auch zu treffen, anstatt uns mit Schuldzuweisungen oder Schuldgefühlen zu blockieren.



7. Ressourcen aktivieren

Gerade in turbulenten Zeiten fällt es uns oft schwer, an Zielen oder Visionen zu arbeiten. Jetzt ist es wichtiger denn je, sich seiner Ressourcen bewußt zu werden, und diese gezielt als „Kraft - Quellen“ zu nutzen. Ressourcen sind alles, was Dir gut tut: Gespräche, Lesen, Musik hören, Spazierengehen, Tanzen, bestimmte Menschen, Deine Teatime, Sport, ein heißes Bad, Meditieren, durch den Wald laufen,… Nimm Dir einen Moment Zeit, ziehe Dich zurück, mache es Dir bequem, und schreibe Dir die "Top Twenty" Deiner persönlichen Ressourcen auf. Du wirst sehen, wie gut das tut, und ganz nebenbei die Dankbarkeit ankurbelt.


8. Selbstbejahung

"Ich würde ja gerne, ABER ich bin zu klein, zu alt, zu dick, zu dünn, zu durchschnittlich, ein Versager,… habe keine besonderen Talente, keiner liebt mich, ich habe einfach immer Pech,…"

Mit dieser Einstellung ausgestattet, ist das Leben zwangsläufig mühsam. Ein Mensch, der so denkt, wartet meistens darauf, daß sich die Umstände von alleine ändern, oder endlich jemand an der Tür klopft, der ihn glücklich macht. Doch das funktioniert nicht. Selbstbejahung ist nicht nur die Grundlage aufrichtig lieben zu können, sondern auch ganz wichtig, um seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen, auf deren Grundlage selbstwirksame Entscheidungen getroffen werden können, anstatt ein Meister im „Sichbeklagen“ zu werden. Achte einmal darauf, wie Du mit Dir „sprichst“: wohlwollend, motivierend, verständnis- und liebevoll, oder eher streng, ungeduldig, abwertend und verzweifelt?



9. Vergeben

Viele Menschen tragen die seelischen Wunden ihrer Co - Abhängigkeit auch dann noch mit sich, wenn der ( einst ) geliebte Mensch nicht mehr trinkt, oder schon lange kein Teil mehr ihres Lebens ist. Wenn man wieder emotional frei werden möchte, ist es unabhängig von den Umständen unerläßlich, zu verstehen, zu reflektieren und aufzuarbeiten, um heilen zu können.


Ich habe nicht wenige Co - Abhängige kennengelernt, die selbst zehn Jahre, nachdem sie von dem Alkoholiker in ihrem Leben getrennt waren, den Kontakt abgebrochen hatten, oder derjenige bereits verstorben war, immer noch durch Trauer, Schmerz und Vorwürfe an ihre Vergangenheit gekettet waren, was sie daran hinderte im Hier und Jetzt glücklich sein zu können. Sie schleppten Rucksäcke voller tonnenschwerer Vorwürfe mit sich herum. Vorwürfe an den Alkoholkranken, Vorwürfe an das Leben, an diese Erfahrung, aber auch Vorwürfe an sich selber, warum sie das mitgemacht, und zu spät erkannt haben, oder das traurige Ende nicht verhindern konnten.


Wenn man sich intensiv mit der Krankheit Alkoholismus auseinandersetzt, und erkennt, daß sie schreckliche Auswirkungen, aber keinen moralischen Aspekt hat, ist es möglich all diese blockierenden Vorwürfe loszulassen. Damit verharmlost man nicht, was man durchgemacht hat, oder relativiert, was ein anderer einem angetan hat, sondern ermöglicht SICH SELBER, wieder emotional frei zu werden, anstatt seine Identität aus dem Schmerz der Vergangenheit zu erschaffen.




10. Reflektieren & Aufräumen

Das Leben mit einem Alkoholkranken hinterläßt viele Spuren der Verwüstung. Im Innen, wie im Außen. Als Co - Abhängiger hat man in der Regel viele Baustellen, die aufgeräumt werden müssen. Das beginnt eventuell bei der Wohnsituation, die sich ändert, bei dem "in Ordnung bringen" finanziell entstandenen Schadens, oder einem Freundeskreis, der sich neu sortiert. Mit involvierten Kindern sollte unbedingt altersgerecht über ihre Erfahrungen, Ängste und Sorgen gesprochen werden. Andernfalls riskiert man, daß sie sich ihre Fragen alleine beantworten, sich heillos überfordert fühlen und falsche Schlüsse ziehen. Im schlimmsten Fall schämen sie sich nachhaltig, fühlen sie sich verantwortlich oder sogar schuldig. Es gilt gründlich im Innen aufzuräumen, seinen seelischen Garten zu entrümpeln, all das Unkraut der alkoholbedingten Manipulation und Verletzungen zu entfernen, und neue Samen zu sähen.


Was sind meine tiefsitzenden Ängste, die mich möglicherweise davon abgehalten haben, früher zu handeln? Welchen seelischen Mangel in mir vermochte der andere so perfekt zu füllen, daß ich diese immer toxischer werdende Beziehung dafür in Kauf nahm? Welche Werte, Wahrheiten und Normen sollte ich durch Neue ersetzen, da sie mir nicht dienen, sondern mir im Wege stehen? Welche alten Schuldgefühle gilt es über Board zu werfen? Was kann ich jetzt ganz konkret für MICH, mein Wohlbefinden, meine Ziele und meine Gesundheit tun?


Hierbei ist ein Coach, der gemeinsam mit Dir neue Strategien, und Visionen erarbeitet, Dich dabei unterstützt neue Sicht- und Handlungsweisen zu entdecken, lösungsorientiert und zielfokussiert mit Dir arbeitet, ein sehr empfehlenswerter Sparringspartner, der Dir dabei helfen kann, wieder zur besten Version von Dir selber zu werden. Ein fürsorglicher Umgang mit Dir selber, bestehend aus Selbstliebe und Achtsamkeit sind die wichtigsten Tools, Deine Kraft und Stärke wieder zu erlangen.




11. Der Lebensbaum

Wenn man mit einem wichtigen Lebensthema feststeckt, und im wahrsten Sinne des Wortes den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, kann es sehr hilfreich sein, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Eine Methodik aus dem Coaching eignet sich dafür sehr gut, denn man kann sie auch alleine anwenden. Stelle Dir vor, Dein Leben ist ein Baum. Vielleicht hilft es Dir, tatsächlich einen Baum zu betrachten. Das kann auf einem Bild, in einem Buch, in deinem Garten, im Hinterhof oder in einem Park sein.


* Was sind Deine Wurzeln? Was erdet Dich? Wo tankst Du Kraft?


*Der Stamm symbolisiert, was heute aktuell, und von Dir sichtbar ist. Was ist es in Deinem Fall?


*Die Baumkrone steht für Deine Ziele und Visionen. Wohin möchtest Du wachsen, welche Früchte möchtest Du in Zukunft ernten?


Vielleicht nimmst Du Dir die Zeit einen schönen Spaziergang zu machen, und einmal in Ruhe über diese Fragen nachzudenken. Versuche Dich dabei nicht unter Druck zu setzen. Du musst weder sofort eine Antwort auf alle Fragen finden, noch müssen Deine Visionen riesengroß oder phantastisch sein. Vielleicht ist deine Vision ganz einfach ein zu Hause, indem wieder klare Luft herrscht und in dem sich alle wohlfühlen und entspannen können.




Byebye Co - Abhängigkeit!

Alles Liebe,

Julia




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