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Julia Maria Kessler

Alkohol.

Trotz allem, was ich erlebt habe, gehöre ich nicht zu denjenigen, die den Alkohol komplett verteufeln. Er ist Teil unserer Kultur, kann ein gutes Essen perfekt abrunden, und es gibt durchaus Menschen, die nicht nur kontrolliert, sondern tatsächlich für den Genuss, und nicht in erster Linie für die Wirkung trinken. Ich finde es wundervoll, wenn Dir in Italien zum frisch gefangenen Fisch, ein Wein vom familieneigenen Weingut serviert wird. Ich liebe es, wenn die Leidenschaft und Liebe zum "Gesamtkunstwerk Essen" förmlich das ganze Restaurant erfüllt, Dich die Augen des Wirtes freundlich anblicken und er seine Brauen erwartungsvoll hochzieht, wenn Du von seinem bestem Tropfen kostest, zu dem er Dir natürlich eine wunderbare Geschichte erzählen kann.


Auf der anderen Seite ist es nunmal eine Tatsache, daß Alkohol Suchtmittel Nummer eins darstellt!


Es wird immer von Alkohol und Drogen gesprochen. Dabei müsste es heißen: Alkohol und andere Drogen.


Denn auch wenn Bier, Schnaps und Wein bei uns legal konsumiert werden dürfen, und als Genussmittel gesellschaftsfähig sind, ist und bliebt Alkohol eine psychoaktive Droge, die ausnahmslos alle Organe und Zellen des Körpers schädigt. Alkohol ist außerdem extrem gefährlich, weil er so vielseitig einsetzbar ist. Er hilft Dir zu entspannen, kann Dich gleichermaßen aufputschen, eine romantische Stimmung fördern, oder wie das Beispiel von Hooligans zeigt, sogar die Gewaltbereitschaft erhöhen. Egal wonach Du suchst, kann Dir der Alkohol dabei helfen, es kurzfristig zu finden. Zumindest gaukelt er Dir täuschend echt vor, Du hättest gefunden, wonach Du suchst.


Selbstverständlich ist all das Erlebte im Rausch, all die alkoholbedingt hervorgerufenen Emotionen, all das Ausschalten von inkompatiblen Erlebnissen, das auflodernde Selbstbewußtsein, das Verdrängen, das Vergessen, das über sich und seine Ängste hinauswachsen, sich groß, stark, witzig, unbeschwert und unverwundbar fühlen, nichts mehr als eine Illusion.


Ein fauler Zauber.


Trinkt ein Mensch dieser Wirkung halber, wird er seine Dosis stetig erhöhen müssen, um denselben Effekt zu erzielen. Wo das über kurz oder lang hinführt, wissen wir, und schweigen es dennoch tot. Die Schattenseiten des Alkohols werden in unserer Gesellschaft einfach unter den Teppich gekehrt, anstatt offen darüber zu sprechen, und gerade bei Kindern und Jugendlichen ein bewussten Umgang durch schonungslose und ehrliche Aufklärung zu fördern. Stattdessen ernten sie noch bewundernden Beifall, wenn sie mit ihrem ersten großen Rausch über das Dorffest torkeln.


Ich habe gerade im Kino den Film „Alkohol, Der globale Rausch gesehen“, und war wirklich schockiert, wie die dringend notwendige Aufklärung über Alkohol, durch Industrie und Politik, dem Profit zum Opfer fällt. Von Moral und Verantwortung erst gar nicht zu reden.


Da wird beispielsweise von der Alkoholindustrie eingeräumt selbstverständlich offen für Prävention zu sein, solange der Umsatz nicht rückläufig wird.


???


An dieser Stelle konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Das blieb mir allerdings sofort wieder im Halse stecken, als über Werbeveranstaltungen von Heineken berichtet wurde. Die niederländische Brauerei nutzte den scheinbar verbreiteten Irrglauben, daß bestimmte Biersorten die männliche Potenz steigern, und dachte sich für Afrika eine Werbeaktion, der ganz besonderen Abartigkeit aus. Sie engagierten circa 2500 Prostituierte, die in 500!, von Heineken zu Hotspots ernannten Bars, betrunkene Männer in dem Glauben an die Wunderwirkung des Bieres bestätigen sollten. Ich weiß nicht, wie man noch in den Spiegel sehen, und sich über die nächste, fette Gehaltserhöhung freuen kann, wenn ihr solch unmoralische Methoden zugrunde liegen. Ich frage mich, wie diese erfolgreichen Geschäftsmänner es schaffen, ihren wahrscheinlich wohl behüteten Töchtern und Ehefrauen in die Augen zu blicken. Von den Frauen, die möglicherweise an solchen Aktionen beteiligt sind, gar nicht erst zu reden.


Wahrscheinlich ist solch ein Geschäftsgebaren nur dann möglich, wenn Menschen Profis darin geworden sind, Gefühle des Mitleids und der Verantwortung aus opportunistischen Gründen zu verraten.


Bleibt zu hoffen, daß wenigstens noch so viel „Restanstand“ und Menschlichkeit vorhanden sind, daß die zuständigen Damen und Herren zumindest sicherstellen, daß keine Minderjährigen ihr Bier an den Mann bringen.


Der Film zeigt zudem deutlich, daß sich Afrika für die Bierindustrie leider zu einem der vielversprechendsten Orte der Welt entwickelt. Dass der Alkoholmissbrauch dort rasant zunimmt, wird natürlich ausgeblendet.


Gin, ähnlich wie Ketchup in kleinen Tütchen abgefüllt, wird in die Bierflaschen gedrückt, damit es schneller „knallt“.


Es wird getrunken um betrunken zu werden, und die Brauereien sorgen für nicht abreissenden Nachschub.


Der Rubel rollt, und wer sollte sich da schon Gedanken über die Folgen, des sich ausbreiteten Alkoholismus auf dem zweit größten Kontinent machen? Nach mir die Sintflut könnte ein passendes Mantra für Geschäfte dieser Art sein. Und, es ist aus meiner Sicht das eine, ein alkoholisches Getränk herzustellen und zu verkaufen, ODER darüber hinaus, ganz gezielt den Missbrauch zu fördern, um den Umsatz anzukurbeln. Und was tut die Politik, um die Aufklärung rund um Alkohol, und die unzähligen Folgen eines übermäßigen Konsums voranzutreiben? Wir wäre es als erste Maßnahme mit einem Verbot, hochprozentigen Schnaps in "to go" Formaten abfüllen zu dürfen, der vornehmlich an Kassen von Supermärkten und Tankstellen zum Spontankauf animieren soll. Welche Zielgruppe hier im Fokus steht ist nicht schwer zu erraten, aber menschlich schwer nachzuvollziehen.


Der Film zeigt auch sehr anschaulich und beeindruckend, wie Island geschafft hat, wovon wir Lichtjahre entfernt sind.


Alkohol ist dort nur noch in ausgewählten Geschäften erhältlich, und nicht wie bei uns, rund um die Uhr, und paradoxerweise sogar in Tankstellen verfügbar. Isländische Kinder und Jugendliche werden frühzeitig über die Gefahren des Trinkens aufgeklärt, und zudem bietet man ihnen eine Vielzahl an Sport - und Freizeitangeboten, um den ersten Alkohol - Kontakt möglichst lange hinaus zu zögern, und zudem Alternativen zum „Saufen“ zu schaffen.


Werbung für alkoholische Getränke ist dort komplett verboten. Mit diesen Maßnahmen hat es der Inselstaat geschafft, den Alkoholkonsum bei Jugendlichen um sagenhafte 90% zu senken.


Eine weitaus weniger erfreuliche Studie zeigt, daß britische Grundschulkinder eher in der Lage sind, Marken von Alkoholkonzernen zu identifizieren, als die von Schokoriegeln oder Eiscreme. Ich finde, das sollte uns doch zu denken geben! Ebenso der Satz, mit dem der Film endet:


Alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen von Alkohol.



Byebye Co - Abhängigkeit!

Alles Liebe,

Julia




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