Ich habe in diesem Mann einen Mentor gefunden, der mir half die Krankheit Alkoholismus, sowie die Co - Abhängigkeit wirklich zu verstehen. Ich verbrachte eine Woche in seiner Finca auf Mallorca, wo er bis Ende 2018 Seminare für Alkoholiker anbot. Nachdem ich nicht locker ließ, wurde ich die erste co - abhängige Kursteilnehmerin, und lernte in dieser einen Woche in Spanien mehr über die Krankheit Alkoholismus, als in all den Jahren zuvor.
Rolf fragte mich, ob ich ihm ein bißchen Gesellschaft leisten würde. Ich freute mich unendlich über die Gelegenheit, mich neben des festgelegten Tagesplanes, alleine mit ihm unterhalten zu können, und antwortete: „Nichts lieber als das!“, und wir gingen auf die Terrasse. Es war ein wunderschöner Tag mit strahlend blauem Himmel und angenehmer Temperatur. Wir setzten uns draußen an den Tisch und ich fragte Rolf wie es funktioniert, daß man diese Selbstliebe, den Glauben an eine höhere Macht, das Urvertrauen, wie genau man seine Mitte findet. Ich wollte von ihm wissen, wie man es schafft, durch Spiritualität bei sich anzukommen. Er antwortete, man müsse nur anfangen zu suchen.
Er fügte hinzu, daß die Veränderung beginnt, sobald man sich öffnet und bereit dafür ist.
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her, und äußerte, daß ich das nicht genau verstehe. Ich hatte begriffen was ich auflösen mußte, wo ich wieder hinkommen wollte, aber nicht, wie ich das in der Praxis anstellen sollte. Rolf bremste mich ein, ich müsse Geduld haben und ich würde dann schon bemerken, wenn es passiert. Er sagte, wenn es losgeht, kommt eines zum anderen. Wie von allein. Ich warf ein, daß ich alles, außer geduldig sei und bat ihn noch einmal, mir das Prinzip konkreter zu erklären. Ich wollte es verstehen. Jetzt. Er lächelte und vergewisserte mir, daß ich längst auf dem spirituellen Weg, und mitten im Prozeß sei, auch wenn es mir selber noch nicht bewußt ist. Schließlich versuchte ich mich damit zufrieden zu geben, stützte mein Gesicht in beide Hände und genoß das laute Rauschen der riesigen Palmenblätter über unseren Köpfen, bis Rolf das Schweigen durchbrach.
Er sagte zu mir, daß die Kapitulation des Alkoholikers die einzige Kapitulation überhaupt sei, die zum Sieg führt.
Und da war wieder so ein Satz, der vernünftig und logisch klingt, der sich mir aber nicht sofort in seiner ganzen Bedeutung erschloß. Scheinbar legte ich meine Stirn in tiefe Falten, denn Rolf fragte mich, warum ich so kritisch schauen würde. Ich erklärte ihm, daß ich lediglich nach einem Bild, nach einer Metapher suche, die mich das, was er gerade gesagt hat, in Gänze verstehen ließ. Er lächelte und erwiderte: “Dann überleg mal schön.“ Als ich Rolf verkündete so weit zu sein, blickten mich seine wachen Augen erwartungsvoll an und er sagte: „Dann schieß mal los!“
Ich beschrieb mein Verständnis seines Satzes mit einem Boxkampf.
Ich stellte mir vor, daß Klitschko im Ring steht und mich zum Kampf herausfordert. Selbsterklärend wäre ich niemals so lebensmüde, diesen Kampf, in dem Glauben ich hätte auch nur den Hauch einer Chance, anzunehmen. Jeder Mensch, der sich, ohne selber ein Profiboxer zu sein, dieser Herausforderung aus Übermut gestellt hätte, wäre ziemlich schnell zur der Einsicht gekommen, daß das ein gravierender Fehler war. Er hätte freiwillig aufgegeben, anstatt sich KO schlagen zu lassen, und diesen Kampf am Ende vielleicht sogar mit dem Leben zu bezahlen.
Ich sagte zu Rolf, daß im Falle des Alkoholismus der Alkohol Klitschko sei, und der Alkoholiker derjenige, der immer wieder in den Ring steigt, und sich absehbar zu Brei schlagen läßt.
Und selbst wenn er schon eine gebrochene Nase hat, Blut und Zähne spuckt, erliegt er nach wie vor der Illusion, er könne den Alkohol in die Knie zwingen, könne den Kampf doch noch für sich entscheiden. Der Alkoholiker möchte nichts mehr, als kontrolliert trinken zu können, und nimmt deshalb diesen aussichtslosen Kampf wieder und wieder auf sich.
Erst wenn er einsieht, daß der Alkohol für ihn ein übermächtiger, ein unschlagbarer Gegner ist, er kapituliert und nicht mehr in den Ring steigt, kann die Umkehr beginnen, hat er die Möglichkeit die Nüchternheit zu erlangen.
Rolf schwieg einen Moment lang, und nickte, sein Kinn in die Hand gestützt. Er sagte sehr ernst: “Du hast es verstanden“, und er fügte lächelnd hinzu, daß das ein hervorragendes Bild sei, das er in Zukunft für seine Therapie nutzen wolle. In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. T. hatte nie eine reelle Chance gehabt trocken zu werden, da er noch nicht kapituliert hatte! Er war zu jedem Zeitpunkt seiner Krankheit davon überzeugt gewesen, stärker als der Alkohol zu sein. Er wollte das Trinken nicht aufgeben, sondern sein Ziel war es, kontrolliert trinken zu können. Da war es, das nächste Puzzleteil.
Wir begannen über T. zu sprechen und fanden unzählige Parallelen zu Rolfs Geschichte. Plötzlich fühlte ich mich von einer unfassbaren Dankbarkeit, und einer lange ersehnten, inneren Ruhe erfüllt. Ich sagte Rolf, daß es für mich ein riesengroßes Geschenk sei, mich mit ihm unterhalten zu dürfen. Er dankte mir und antwortete, daß es für ihn ein noch viel größeres Geschenk sei hier mit mir zu sitzen. Er blickte mir tief in die Augen und erklärte: „Indem ich Dir helfen kann, helfe ich mir selber.“
Dann entschuldigte er sich, um sich etwas hinzulegen.
Byebye Co - Abhängigkeit!
Alles Liebe,
Julia
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