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Julia Maria Kessler

Als ich die "Komfortzone" verließ, part 3.

Ich habe in Rolf Bollmann, einem 79 jährigen, trockenen Alkoholiker einen Mentor gefunden, der mir half, die Krankheit Alkoholismus, sowie die Co - Abhängigkeit wirklich zu verstehen. Nachdem ich über ein YouTube Video auf ihn aufmerksam wurde, verbrachte ich eine Woche in seiner Finca auf Mallorca, wo er bis Ende 2018 Seminare für Alkoholiker anbot. Nachdem ich nicht locker ließ, wurde ich die erste co - abhängige Kursteilnehmerin, und lernte in dieser einen Woche in Spanien mehr über die Krankheit Alkoholismus, als in all den Jahren zuvor. Das war der Start zu meiner emotionalen Freiheit, die es mir ermöglichte, mich aus der Co - Abhängigkeit zu lösen.




Wir fanden uns alle um 19.00 Uhr zum Abendessen ein.


Die spanische Köchin war eine reizende Frau, die sich sichtlich Mühe mit dem Essen gab, überaus freundlich war, und immerzu lächelte. Sie hatte eine warme, fürsorgliche, geradezu mütterliche Ausstrahlung.


Das gemeinsame Essen entpuppte sich im Laufe der Woche schnell zu meinem Highlight des Tages, da Rolf immer spannende Geschichten aus seinem Leben erzählte und meistens tolle Gespräche zustande kamen, die mir Stück für Stück neue Puzzleteile lieferten, mich immer mehr begreifen ließen.


Und schließlich war das, war Rolf ja der Grund, warum ich hier war. Ich hatte kein Interesse an Smalltalk, wollte nicht Fernsehen, mich sonnen, oder mich über die Qualität des Service der Airlines unterhalten. Ich war nicht hier um Ferien zu machen, oder neue Freunde zu finden. Ich war hier, um in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand, möglichst viel über die Krankheit Alkoholismus zu erfahren. Ich wollte alles mitnehmen, was ging. Ich versuchte so aufmerksam wie möglich zu sein, zuzuhören und scharf zu beobachten. Ich las „Eine neue Brille“, und die von Rolf verfassten Zeitschriften zum Thema, die überall im Wohnzimmer herumlagen. Ich mußte die Chance, Rolf Fragen stellen zu können, zu Einhundertprozent nutzen.

Als alle Platz genommen hatten, und das Essen serviert war, sprach Rolf ein bißchen darüber, was uns alle in der kommenden Zeit erwarten würde.


Bei der Gelegenheit erwähnte er, daß er es spannend fand, das erste Mal eine „CO“, wie er mich nannte, als Seminarteilnehmerin begrüßen zu dürfen.


Er nickte mir aufmuntert zu, und begann zu essen. In den Gesichtsausdrücken der anderen konnte ich förmlich lesen, daß sie über diese Information sichtlich erstaunt, wenn nicht gar ein bißchen schockiert, und nicht gerade begeistert waren.

Die jüngere der beiden Frauen ließ ihr Besteck sinken, sah mich ungläubig an und sagte an mich gewandt: „Das heißt, Du darfst trinken, wenn Du es möchtest.“

Es war irgendetwas zwischen einer Frage und einer Feststellung. Ich war von der leicht angespannten Atmosphäre etwas verunsichert, und nickte nur.

Später auf der Terrasse setzte ich mich zu ihr und wir plauderten ein bißchen. Es dauerte nicht lange und sie begann mir sehr eindrucksvoll zu vermitteln, daß sie ehrlich gesagt gar kein Alkoholproblem habe. Es sei alles ein bißchen viel gewesen in letzter Zeit, und sie habe lediglich etwas zu viel getrunken, um sich vom stressigen Alltag zu entspannen.


Sie versicherte mir eindringlich, als sei es in irgendeiner Weise relevant was ich denke, daß sie jederzeit kontrolliert trinken kann, und sie sich entschlossen habe, wieder abzureisen, was sie zwei Tage später auch tatsächlich tat.


Ich war wirklich baff, daß sich mein erster Eindruck im Bus nach so kurzer Zeit mehr als bestätigt hatte. Kein Mensch, der nicht ein massives Problem hat, meldet sich freiwillig für eine Therapie an, die auch noch ein Haufen Geld kostet. Wenn ich etwas abgespannt bin, und die Möglichkeit habe mir eine Auszeit zu nehmen, gehe ich zum Wandern oder in ein Wellness - Hotel. Aber da ich weder als Therapeutin, noch als Missionarin hier war, ließ ich sie reden, hörte ihr einfach einfach nur zu, und machte keine Anstalten, das was sie sagte in Frage zu stellen. Ich wußte, daß ich nicht verantwortlich für ihre Reise, sondern es nur für meine eigene war. Schließlich wünschte ich ihr eine gute Nacht und ging auf mein Zimmer. Mir dämmerte, daß gewisse Verhaltensweisen wie das „Leugnen“, die mir von T. sehr vertraut waren, scheinbar Teil der Krankheit und nicht das Resultat eines fragwürdigen Charakters waren. Bei den Seminarteilnehmern konnte ich das zur Kenntnis nehmen, ohne persönlich betroffen zu sein, und ohne co - abhängiges Verhalten an den Tag zu legen. Ich spürte, daß ich hier doch auf dem richtigen Weg, dem Weg zu den Antworten auf meine vielen Fragen war, und schlief ein.



"Ich war so arrogant zu glauben, ich wäre ein harmloser Gelegenheitstrinker und hätte meine Alkoholkonsum jederzeit im Griff. Das ist Selbstbetrug, den sich jeder Alkoholiker vorgaukelt." Elizabeth Taylor



Ich wurde wach bevor mein Wecker klingelte und ich nahm als erstes meinen Kopf war, der sich anfühlte, als stecke er in einem Schraubstock. Nach einer heißen Dusche zog ich eines meiner neuen Kleider an, schlüpfte in die Flip Flops und ging zum Frühstück hinunter.


Ich hatte wegen der starken Kopfschmerzen nur wenig Appetit, weshalb ich mir nur einen doppelten Espresso und etwas frisches Obst vom Buffet holte.


Von dem Informationsblatt auf meinem Nachttisch wußte ich, daß uns zu Beginn der Therapie, neben der physischen Anamnese, die mich nicht betraf, die „Kennenlernrunde“ erwarten würde. Da ich damals noch nicht besonders gerne vor Leuten sprach, stand mir dieser Tagespunkt etwas bevor. Gleichzeitig wusste ich, daß ich mich hier vor allem den, für mich unangenehmen und schwierigen Situationen stellen wollte. Sobald sich in meinem Kopf Stimmen meldeten die sagten: „Ich kann das nicht, ich mache das nicht, ich will das nicht…“, traf ich ganz bewußt die Entscheidung, ihnen ganz einfach nicht zuzuhören.


Als alle fertig gefrühstückt hatten, der Tisch abgeräumt war, und jeder im Wohnzimmer Platz genommen hatte, machte Rolf den Anfang, und erzählte uns von dem Verlauf seiner Krankheit. Ich glaube wir alle waren währenddessen vor allem damit beschäftigt zu hoffen, nicht als nächstes an der Reihe zu sein. Aber schließlich platzte der Knoten, und jeder erzählte die Kurzfassung seiner Geschichte. Auch wenn eine etwas trauriger und dramatischer war, als die andere, glichen sie sich doch alle in der Essenz. Es wurde deutlich spürbar, wie wichtig es war, Distanz abzubauen, indem man sich gegenseitig kennenlernte.


Es gab keinen Grund sich zu schämen und außerdem saßen wir alle in demselben Boot. Keiner von uns war hier, um irgendjemandem etwas vorzumachen, oder jemanden zu beeindrucken, sondern um sich seinen Problemen zu stellen.


Rolf erzählte uns, daß der Austausch untereinander, einer der wichtigsten Bestandteile der Therapie sei, und das der Grund war, warum in Betty Ford Kliniken ursprünglich keine Einzelzimmer vorgesehen waren. Er fuhr fort, daß sich sogar die First Lady ein Zimmer mit einer beliebigen, alkoholkranken Frau teilen mußte. Mit der Frau, neben der eben gerade ein Bett frei war.

Er erklärte, es ginge einerseits um den Austausch der Erfahrungen, und andererseits darum zu begreifen, daß es keinen besseren oder schlechteren Alkoholiker gibt. Er zog seine buschigen Brauen hoch, wie er es immer tat, wenn er dem Gesagten besonderen Nachdruck verleihen wollte, ließ seinen Blick langsam durch unsere Runde schweifen und sagte: "Ein Alkoholiker ist ein Alkoholiker, Punkt!"




Byebye Co - Abhängigkeit!

Alles Liebe,

Julia






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