Im Zuge meiner Coach Ausbildung stehen einige Bücher auf meiner „to read - Liste“. Eines habe ich den Empfehlungen der Akademie für mich persönlich hinzugefügt: „Das Kind in Dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl. Ich bin wirklich dankbar, daß meine Freundin es mir empfohlen hat, denn ich liebe, liebe, liebe dieses Buch! Bereits auf einer der ersten Seiten las ich einen Satz, der mich auf augenöffnende Weise, in eine der schlimmsten Zeiten meines Lebens katapultierte, und mir gleichzeitig ermöglichte, einen überaus giftigen Stachel endlich aus meinem Bewusstsein zu entfernen.
Die Diplom - Psychologin schreibt: „Vor allem Gefühle wie Ohnmacht und Unterlegenheit können, wenn sie unreflektiert bleiben, durch ein übersteigertes Machtstreben und Geltungsbedürfnis auf eine sozial unverträgliche Weise kompensiert werden.“ Da war sie, als ich gar nicht mehr mit ihr rechnete: die Antwort auf meine Frage, wie sich ein Mensch so gnadenlos gemein und skrupellos verhalten kann, wie T. und ich es jahrelang erleben mußten.
Nicht wenige, ebenfalls Betroffene der AA bestätigten uns, daß wir mit der Erfahrung, daß Menschen einen Alkoholiker mithilfe seiner Krankheit instrumentalisieren, nicht alleine waren. Nicht zu vergessen die falschen Freunde, die einen siebten Sinn dafür haben, im falschen Moment aufzutauchen, ihren guten Kumpel gerne zum Trinken animieren, und genau so schnell wieder weg sind, wenn es gilt die Scherben zusammen zu kehren. Abgesehen davon, was ein alkoholkranker Mensch anderen, bedingt durch die Auswirkungen seines unkontrollierten Alkoholkonsums „antut“, ist auch er selber ein leichtes Opfer für Manipulation, wenn man seine Krankheit gekonnt als Achillesferse nutzt, und alles nur erdenkliche tut, um die Nüchternheit durch Schikanen zu torpedieren. Denn kennt man seine Ängste, und ist in der Position mit dem Finger tief in sie hinein zu bohren, sie tagtäglich zu schüren und am Leben zu halten, kann man einerseits Rückfälle provozieren, und diese wiederum nutzen, um ihn anschließend wie eine Marionettenpuppe tanzen zu lassen.
Der chronisch labile Zustand eines Alkoholikers, bestehend aus Scham, zunehmend mangelndem Selbstwert, und schlechtem Gewissen, wird mit seinen größten Ängsten garniert, und tut sein übriges, daß dieses Spiel funktioniert. Es geht um Ego, Rache, Macht und Geld. Das ist es, was die kleinen mit den großen Kriegen gemeinsam haben.
Und wenn der Motor eines Menschen ein unreflektiertes Ego ist, gibt es kaum etwas, wovor dieser Halt machen würde. Somit war ich von heute auf morgen nicht nur Partnerin eines Alkoholikers, sondern weil ich ihn liebte, mit ihm gemeinsam zur Zielscheibe geworden. Und Ins Schwarze zu treffen ist ein leichtes Spiel, wenn es ein Spiel ohne Regeln, Moral, und Tabus ist.
Allerdings ist es ein riesengroßer Irrglaube davon auszugehen, daß man sein Glück im Unglück eines anderen finden kann.
Aber um das zu begreifen, müßte man anfangen sich selber zu reflektieren. Aber wozu? Es ist doch doch viel einfacher, anderen Menschen den eigenen Mangel in die Schuhe zu schieben. Allerdings ist es schwer vorstellbar, daß es irgendjemandem auf dieser Welt damit wirklich gut gehen kann, denn man schließt mit dieser Haltung die Liebe automatisch aus.
Das ist wohl der hohe Preis, den man zahlt, wenn man die eigene Identität aus dem Schmerz der Vergangenheit erschafft.
Sie kann in der Gegenwart lediglich durch Verbitterung ergänzt werden, die sich niemals erfreulich auf eine Persönlichkeit und ein erfülltes Leben auswirkt. Starke Menschen sind in der Lage sich selber zu hinterfragen und zu vergeben, schwache geben die Verantwortung für ihr Leben ab, indem sie sich mit Rache und Schuldzuweisungen beschäftigen. So war es auch in unserem Fall, was zur Folge hatte, daß beinahe alles, was unser Zusammenleben, unseren Alltag und unsere Liebe normalerweise bereichert hätte, was eigentlich hätte erfreulich sein können, instrumentalisiert wurde, um Trauer, Wut, Ohnmacht und Schmerz zu erzeugen.
Wie so etwas möglich ist? Wenn ein Mensch Profi darin geworden ist, Gefühle des Mitleids aus opportunistischen Gründen zu verraten.
Ich begann irgendwann an mir und an meiner Wahrnehmung zu zweifeln, weil es mir unbegreiflich war, wie man die Krankheit eines Menschen missbrauchen kann, um dessen Gutmütigkeit und Labilität gnadenlos auszunutzen, während etliche drumherum stehen, schweigen, zusehen, oder sogar noch applaudieren. Zum Glück kam der Moment, wo ich mir in diesem Punkt wieder zu einhundert Prozent vertraute. Es ist wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Nur weil eine Gruppe von Menschen etwas als „wahr“ deklariert, nur weil einer mit dem Fuß aufstampft, und unter dem Deckmantel geheuchelter Moral laut herumschreit, und ein paar Duckmäuser ihm folgen, muß es noch lange nicht richtig sein! Man kennt dieses Prinzip aus der Politik, genau so wie von Stammtischen, oder Mobbing aller Art.
Damals hat mich all das wirklich zutiefst verletzt. Ich litt extrem unter Streß bedingtem Haarausfall, brach während der Arbeit in Tränen aus, wurde zunehmend dünnhäutig, fahrig und nervös, und bei jeder neuen WhatsApp oder E - Mail, schoß mein Puls in die Höhe, noch bevor ich den Absender gelesen hatte. Ich war zuvor noch nie mit Menschen diesen Schlages konfrontiert gewesen.
Intrigen und Manipulation des Ausmaßes wie wir sie erleben mußten, kannte ich nur von Denver Clan oder niveaulosen Talkshows.
T. und ich standen am Anfang unserer Beziehung, und haben uns, um es mit den Worten von Herbert Grönemeyer zu sagen, einfach nur „verzweifelt geliebt“. Ich war, sowohl mit seiner Krankheit, als auch mit den Anfeindungen, einer mir bis dato unbekannten Person, komplett überfordert. Ich versuchte es mit der Weisheit der Söhne Mannheims zu lösen: „Lass Dich nicht zerbrechen und fürchte Dich nicht…“ , was mir damals nicht besonders gut gelang.
Ich weiß nicht, ob T. und ich es jemals geschafft hätten, trotz seiner Krankheit gemeinsam glücklich werden zu können, hätten wir nicht zusätzlich, beinahe täglich, unter diesem extremen Beschuss gestanden, der die trockenen, guten Phasen unnötig belastet, und den Rest unserer Energie und Substanz zerstört hat, der vom Kampf gegen den Alkohol noch übrig war. Aber was ich heute definitiv weiß, ist, daß die Art und Weise, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen, und über sie sprechen, alles über sie selber, aber nichts über den anderen aussagt.
Welche Frage ich mir allerdings noch stelle, ist die, ob jemand tatsächlich Genugtuung oder gar Freude über einen Triumph empfinden kann, dem das Leid eines anderen zu Grunde liegt.
Letztendlich habe ich mich auch in diesem speziellen Fall dazu entschieden, an meiner Vergebung zu arbeiten, denn sie ist das allergrößte Geschenk, das wir und selber machen können! Es geht nicht darum das Verhalten eines anderen gut zu heißen, oder zu verharmlosen was er einem angetan hat, sondern darum, den Groll, der einen selber vergiftet, wieder loszuwerden. Das Ziel ist nicht, mit der betreffenden Person ein freundschaftliches Verhältnis anzustreben, sondern den eigenen Seelenfrieden wieder herzustellen. Das Wissen, daß hinter gemeinen Menschen, höchst wahrscheinlich unreflektierte, nicht aufgearbeitete Verletzungen stecken, machte es mir leichter, die überbordende Wut in eine Art von Mitleid zu transformieren. Andernfalls liefe man ja Gefahr, sich selber auch in der traurigen Sackgasse eines verbitterteren Rachefeldzuges zu verlieren.
Seit dieser Erfahrung achte ich extrem darauf, mit welchen Menschen ich mich umgebe, und welche Menschen ich Einfluß auf meine Gedanken nehme lasse: nur noch solche, die den Raum erhellen wenn sie ihn betreten, und nicht jene, die ihn erhellen, sobald sie ihn wieder verlassen. Denn die Qualität unseres Umfelds, bestimmt die Qualität unseres Lebens.
Achte auf Deine Gedanken,
denn sie werden Deine Worte,
achte auf Deine Worte,
denn sie werden Deine Handlungen,
achte auf Deine Handlungen,
denn sie werden Deine Gewohnheiten,
achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden Dein Charakter,
achte auf deinen Charakter,
denn er wird Dein Schicksal.
Buddha
Byebye Co - Abhängigkeit!
Alles Liebe,
Julia
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